Stefan Fraunberger
„Kurzenaufstand“, der vierte Teil des Zyklus „Quellgeister“ von Stefan Fraunberger entfaltet eine sonisch-visuelle Kompostierung aus vergilbten Fresken und ungezähmten Klängen.About
Der Komponist und Künstler Stefan Fraunberger arbeitet mit der Sprache der Dinge. Sein Fokus: der Zwischenbereich. Fraunberger Werk umfasst Komposition, Installation, Text, Solo- und Ensemble-Performance sowie Arbeiten für Theater und Film.
Stefan Fraunberger untersucht die Möglichkeiten materieller und liminaler Veränderungen, indem er verschiedene Instrumente, Wesenheiten, Techniken, Sprachen und Wissenschaften in Beziehung setzt. Die Erforschung des Unheimlichen irdischer Wirkkräfte beschreibt Fraunbergers zukunftsorientierte Perspektive jenseits von Natur und Kultur. Stefan erforscht, übersetzt und arbeitet mit sonischen Gegenden erweiterter Kirchenorgeln, elektroakustischen Realitäten, Hackbrettern, Stimmen, Wirbelhörnern und vormodernen Schriften: Das Drama der Zustände wird zu einer Antwort auf die Ausnahmezustände der Gegenwart.
Fraunberger studierte elektroakustische Musik und Geisteswissenschaften. Seine Dissertation verfasste er über Liminalität im Kontext des vormodernen Sufi-Gelehrten Ibn 'Arabi. Neben Deutsch, Englisch und Französisch lernte er mehrere Sprachen und Dialekte wie Rumänisch, Arabisch und Persisch. Sein interdisziplinärer Ansatz ist beeinflusst vom "ontological turn", der Erkentnistheorie und dem Thema der Materialität. Er hat Artikel und Texte über „Quellgeister“, „Sprache, die Zustände komponiert“ und "Wasserscheiden" veröffentlicht. Stefan Fraunberger erhielt mehrere Kompositionsstipendien vom Bmkoes und der Stadt Wien.
Neben seiner Basis in Wien lebte und arbeitete er für soziale Arbeit, Residencies, Forschung und Studien unter anderen in Aleppo, Sana'a, Teheran, Sibiu, Benares, Brüssel.
Zahlreiche Aufführungen und Aufträge bei Festivals wie CTM Festival / Meakusma Festival / Grand Palais du Paris / Outernational Days / Irtijal Festival, Beirut / Bouquet Stage Kiew / ...
„Kurzenaufstand": Eine sonisch-visuelle Kompostierung, der 4. Teil im Zyklus „Quellgeister“
Es braut sich was zusammen im bereits vierten Teil des Werkzyklus Quellgeister von Komponist Stefan Fraunberger. Als Trip zwischen Entfremdung und Emanzipation, in der vergilbte, Fresken vergangener Zeiten und jenseitige Klänge zu Zeugen sonischer Zustände werden, treffen wir nach einer Notlandung auf einem unbekannten Planeten zwischen Trümmern auf das Irdisch-Werden klimatisch veränderter Gebetsmühlen: nach dem Crash ist vor dem Reigen seliger Geister.
Seit den Anfängen des neuen Jahrtausends hat Fraunberger die Kirchenorgeln, verwaiste Gebetsmaschinen in Transsilvanien aus ihrem Langzeit-Lockdown befreit. Für den Komponisten der „Sprache der Dinge“ sind die sich selbst überlassenen satanischen Mühlen der christlich-aufgeklärten Glaubensmusik sowohl Thema als auch Klangkörper für den international beachteten Werkzyklus Quellgeister.
Die vom deutschen Ingenieurgeist verlassenen Funktionsapparate wurden in die Wildnis entlassen. Zerfressene Registertrakturen gerieten in die Nähe eines „Wurmlochs #2“. Der löchrige Blasebalg wurde in den Ereignishorizont Bussd #3 gerissen. Die krachende Mechanik ist auf der anderen Seite auf der Oberfläche eines Planeten gecrashed. Zwischen den Trümmern braute sich etwas zusammen: Der „Kuruzenaufstand #4“ - ein Aufbäumen gärender Wirkkräfte gegen das Joch der Unterdrückung. Inspiriert von der Geschichte Aufständischer in Osteuropa, den "Kuruzen", die gegen das Joch der Monarchie mobilisierten. Eine Bewegung, die in der zweiten Türkenbelagerung Wiens kulminierte, in einer Welt, die es nie gab. Der Kurzenaufstand ist das Pendant zur Französischen Revolution.
In einer Zeit, in der wir immer noch schneller laufen, um nicht zurückzubleiben und dem Unheimlichen zu entkommen, zelebriert der Zyklus Quellgeister die endzeitlichen Aspekte von Gemeinschaft und darin verborgene Chancen für Neubeginn. Mit "Kurzenaufstand" entlockt Fraunberger der Bühne vergilbter Fresken, die von der Natur des Ungezähmten in heiligen Hallen zeugen, das Brodeln des ewigen Aufbegehrens. Was für die einen Dämonen sind, wird auf der anderen Seite der Klaviatur als Erlösung gefeiert - eine Darstellung des Zusammenfalls der Gegensätze, die wir heute in den Heilsversprechen zwischen dem Wilden und künstlicher Intelligenz wieder finden.
Wird der Kurzenaufstand zum freien Radikal der Kulturgenese? Wird sich der Algorithmus der Wirkkräfte inspirieren lassen? Und wird das Bühnenbild dressierter Hochkultur in die Wildnis des Unheimlichen entführt?
Im Fluchtversuch ins digitale Vakuum betreten wir Neuland, während auf der anderen Seite der Reigen seliger Geister tanzt. Eine Endzeitvorstellung?
Programmtext
Quellgeister heißt der musikalische Zyklus, den der österreichische Komponist und Künstler Stefan Fraunberger seit 25 Jahren entwickelt - sämtlich auf verfallenen Pfeifenorgeln in den verlassenen Festungskirchen Siebenbürgens. Einst errichtet von ethnischen Deutschen, die während der kommunistischen Herrschaft aus dem Land flohen, wurden die Ritualmaschinen wie gestrandete Raumschiffe der Wildnis überlassen. Auf ihren zerfressenen Registertrakturen und mit ihren löchrigen Blasebalgen spielt Fraunberger eine Musik, die gleichermaßen von materieller Transformation handelt wie vom Zusammenfall der Gegensätze in unserer anbrechenden Epoche. Nach dem Crash ist vor dem Reigen seliger Geister: Kuruzenaufstand, der vierte Teil des Quellgeister-Zyklus, wird beim donaufestival uraufgeführt.